Keine Familiendramen, sondern Femizide

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Um das Thema Femizide geht es in der Ausstellung „Remember my Name, remember my Story“, die noch bis zum 29. November im Bürgerportal des Main-Kinzig-Forums in Gelnhausen zu sehen ist.

21. November 2023 - Rot eingefärbte Frauenschuhe spielen als Symbol eine wichtige Rolle in der Ausstellung „Rember my Name, remember my Story“, die noch bis zum 29. November im Bürgerportal des Main-Kinzig-Kreises zu sehen ist. In der Ausstellung werden Femizide thematisiert – die Tötung von Frauen und Kindern durch Männer, die ihnen einmal nahestanden. Es handelt sich um eine extreme Form geschlechtsbezogener Gewalt, bei der die Tötung der Frau das Ziel ist. Jede Schautafel erzählt in kurzen Texten, wie diese Frau zum Opfer wurde. Die rotgefärbten Schuhe – Sneakers, Halbschuhe, Pumps, Stiefeletten oder Hausschuhe – versinnbildlichen trotz ihrer unterschiedlichen Größen und Formen, dass ihre Trägerinnen eines gemeinsam haben: Sie alle sind Opfer einer Bluttat geworden. Weil sie sich aus einer Beziehung gelöst haben, in der ein Mann Macht und Kontrolle über sie ausgeübt hat und ihnen gegenüber in vielfältiger Form gewalttätig geworden ist: physisch, psychisch, finanziell. Die getöteten Kinder werden durch kleine weiße Turnschuhe symbolisiert.

„Jeden Tag versuchen Männer, eine Frau zu töten, jeden dritten Tag gelingt es ihnen“, sagte Erste Kreisbeigeordnete Susanne Simmler während der Eröffnung der Ausstellung, für die sie die Schirmherrschaft übernommen hat. Oft sei dies die Partnerin, zumeist die Expartnerin. Susanne Simmler betonte, wie wichtig es ist, Gewalt gegen Frauen immer wieder in die Öffentlichkeit zu rücken. „Es ist ein schwieriges und gleichzeitig sehr wichtiges Thema, das uns alle angeht und das uns betroffen macht. Wir müssen immer wieder darüber sprechen. Denn es ist kein Frauenthema, sondern folgt einem zugrundeliegenden gesellschaftlichen Muster. Einzelne Frauenschicksale zu beleuchten, hilft uns dabei, die Tragweite dieser Taten etwas besser zu begreifen“, sagte sie. Gleichzeitig sollen sie nicht nur als sehr tragische Einzelschicksale gesehen werden, da Femizide die Gesellschaft etwas angehen und System haben. Die Ausstellung dokumentiert etwa den Fall der 26-jährigen Sandy B. aus Hanau, die 1993 vor ihrem Freund ins Frauenhaus geflüchtet war und im Zuge dessen von ihm umgebracht wurde.

So lautet eine wichtige Botschaft der Ausstellung, die vom Frauenhaus in Kassel konzipiert wurde: Es ist kein Familiendrama und auch keine Beziehungstat, sondern ein Femizid. Es sind keine Einzelfälle. Denn alle vom Frauenhaus Kassel gesammelten Fälle haben eines gemeinsam: die Frau wollte sich aus der gewalttätigen Beziehung lösen. Sie hatte entweder im Frauenhaus gelebt oder lebte aktuell zum Zeitpunkt ihres Todes dort.

Zur Eröffnung, zu der zahlreiche Gäste gekommen waren, sprach Kriminalhauptkommissarin Andrea Schütte von der Polizei Hessen kurz über die unterschiedlichen Formen von häuslicher Gewalt und dem Gewaltzyklus. Die Hauptkommissarin hat in ihrer fast 40-jährigen Dienstzeit schon einige dieser Tötungsdelikte an Frauen bearbeiten müssen. Sie erklärte den Unterschied zwischen den Polizeieinsätzen in häuslichen Gewaltfällen (laut Polizeilicher Kriminalitätsstatistik im Jahr 2022 für Hessen 11.475 registrierte Fälle) und den sogenannten Hochrisikofällen, in denen sich zu einem hohen Anteil die Frauen nach einer Trennung vom Partner befinden könnten. Dabei lenkte sie den Blick auf die Gefährder (potentiell spätere Täter eines Femizidverbrechens). Sie schilderte, was in den Wochen und Monaten nach einer Trennung bei ihnen in aller Regel dazu führt, dass sie den Tod ihrer früheren Partnerin, deren Kinder und eventuell auch des neuen Partners planen und in die Tat umsetzen. Auch eine Selbsttötung kann für diese Männer eine Option werden, die hochriskant sei, denn wenn jemand nichts mehr zu verlieren habe, sei die Gefahr einer Fremdtötung gegeben und es gelte, auch dieses genau zu beobachten. Eine Trennung sei für Frauen ein Hochrisikofaktor bei einer einsetzenden innerpsychischen Krise des (Ex-)Partners, denn wenn der sie kontrollierende Mann zu der Überzeugung gelange, dass die Frau tatsächlich nicht mehr zu ihm zurückkommt, könne dies einen gefährlichen Denkprozess in Gang setzen. Im Durchschnitt brauche es etwa sechs Monate bis zur Gewalteskalation, das heißt einer zielgerichteten geplanten Tötung. „So eine Tötungshandlung passiert nicht einfach ganz plötzlich, da gehört schon einiges dazu“, betonte die Expertin und fügte hinzu: „Hier setzen wir mit einem gezielten Gefährdungslagenmanagement durch die Polizei an.“ Die Polizei habe außerhalb eines Strafverfahrens auch den Gesetzesauftrag der Gefahrenabwehr – ganz klar auch in diesen Fällen.

Der Kontakt zu den potenziellen Tätern sei aufschlussreich und helfe, die Lage einzuschätzen. Die Kriminalhauptkommissarin appellierte, dass Frauen sich in jedem Fall bei der Polizei melden sollten, wenn sie das ernsthafte Gefühl haben, dass ihr Leben bedroht ist. Das gelte auch für Fälle von sogenannter „Ehrgewalt“, wenn etwa eine Frau oder ein Mädchen sich innerhalb der Familie bedroht fühle, weil sie überkommene religiöse oder kulturelle Vorstellungen nicht teile und versuche, sich aus tradierten Rollenbildern zu lösen. „Wir nehmen solche Hinweise sehr ernst“, sagte Andrea Schütte mit Blick auf das Gefährdungslagenmanagement, welches eine ganz eigene Organisationsstruktur innerhalb der hessischen Polizei mit spezialisierten Kriminalbeamten und Kriminalbeamtinnnen erhalten habe und sich maßgeblich von einem Strafverfahren unterscheide.

Die beiden Frauenhäuser in Wächtersbach und Hanau haben die Ausstellung nach Gelnhausen geholt, gemeinsam mit Kulturbeauftragter Andrea Sandow. Ansprechpartnerinnen vor Ort sind Brigitte Machnitzke (Frauenhaus Wächtersbach) und Andrea Laus (Frauenhaus Hanau). Susanne Simmler dankte allen Beteiligten für ihre Unterstützung, auch den Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten der Stadt Hanau, Conny Gasche, und des Main-Kinzig-Kreises, Grit Ciani. Musikalisch aufgelockert wurde das schwierige Thema von Harry Wenz (Kontrabass) sowie Nana Pastorelo (Gesang) und Rodrigo Mancebo Mancero (Gitarre). Passend zur Ausstellung fand an einem anderen Abend noch eine Lesung aus dem Buch „Femizide. Frauenmorde in Deutschland“ statt. Die Ausstellung flankiert die Aktionen zum Internationen Tag gegen Gewalt an Frauen. Am 24. November findet um 17 Uhr vor dem „Pali“-Kino in Gelnhausen eine Lichter-Aktion statt, im Anschluss beginnt um 17.30 Uhr eine Filmvorführung. Gezeigt wird der Film „Die Zeit der Schmetterlinge“. Erzählt wird die Geschichte der Schwestern Mirabal, drei von ihnen wurden bei einem Mordanschlag getötet, lediglich eine von ihnen überlebte. Der Eintritt ins Kino ist kostenlos.

Die Ausstellung „Remember my Name, remember my Story“ ist noch bis zum 29. November zu den Öffnungszeiten des Main-Kinzig-Forums zu sehen: Montag bis Mittwoch von 8 bis 16 Uhr, Donnerstag von 8 bis 18 Uhr und Freitag von 8 bis 13 Uhr. Gruppenführungen können unter frauenhaus-waechtersbach@gmx.de gebucht werden.

Das bundesweit geschaltete Hilfetelefon bei Gewalt gegen Frauen ist rund um die Uhr unter der Nummer 116 016 erreichbar. Mehr Infos auf www.hilfetelefon.de.