Jungsteinzeit wird im Hexenturmgarten von Windecken zum Leben erweckt

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Unser Bild zeigt (von links): Harald Kuhn, Dieter Dettmering (stellvertretender Vorsitzender), Jürgen Wörner-Frauendorf, Dr. Heike Lasch (Vorsitzende), Landrat Thorsten Stolz und Bürgermeister Andreas Bär.

21. Februar 2025 - Schon jetzt ist die Baustelle ein faszinierender Ort: Im Hexenturmgarten in Nidderau-Windecken entsteht die Rekonstruktion eines jungsteinzeitlichen Hauses mit einem sogenannten neolithischen Garten, der den Wechsel von der mittelsteinzeitlichen Wildbeutergesellschaft hin zu Pflanzenanbau und Tierhaltung verdeutlicht. Vor Kurzem wurde Richtfest gefeiert. Das Projekt zeigt, wie Menschen in der Zeit vor 7000 Jahren lebten. Diese Zeit wird auch Bandkeramik genannt, nach der Art, wie Keramikgefäße verziert wurden, die typisch für diese Zeit waren. Landrat Thorsten Stolz besuchte die Baustelle und sprach mit Mitgliedern des Vereins für Vor- und Frühgeschichte im unteren Niddertal sowie Bürgermeister Andreas Bär und lobte die Anstrengungen, eine museale Rekonstruktion zu schaffen, die sich an originalen archäologischen Befunden in Nidderau orientiert. „Es ist sehr beeindruckend, was der Verein innerhalb so kurzer Zeit geleistet hat, mit dem Ziel, einen ganz besonderen museumspädagogischen Ort zu schaffen und die Frühgeschichte der Region zum Leben zu erwecken“, sagte der Landrat über das Projekt, das vom Main-Kinzig-Kreis gefördert wird.

Der Verein hat das Projekt „Bandkeramisches Haus“ mit viel Herzblut und Sachkenntnis zum Laufen gebracht, denn dessen Vorsitzende Dr. Heike Lasch ist gleichzeitig Archäologin und betreut das Projekt fachlich. Die Ehrenamtlichen haben schon viele Stunden investiert, um aus großen Holzstämmen und Holzpfosten das Grundgerüst für das Haus zu fertigen, das nach und nach mit Lehm verputzte Flechtwände erhält. Derzeit laufen die Arbeiten, um das Dach fertig zu decken – mit Material, das auch in der Jungsteinzeit zur Verfügung gestanden haben dürfte.

„Das Projekt macht diese Phase der Menschheitsgeschichte sehr anschaulich und vor allen Dingen auch begreifbar“, erklärte der Landrat. Denn ein Haus aus der Jungsteinzeit ist nicht mit einem modernen, sehr gut gedämmten Haus zu vergleichen, denn richtig dicht lässt es sich mit den Methoden der Jungsteinzeit nicht dämmen. Gleichwohl ist es beeindruckend, die Dimensionen eines jungsteinzeitlichen Hauses zu erahnen, auch wenn in Windecken eine etwas kürzere Version eines Bandkeramischen Langhauses entsteht: 7 Meter breit, 14 Meter lang und 5 Meter hoch. Die Menschen haben vor Tausenden von Jahren auch schon größere Häuser errichtet. Diese Bauten hielten vielleicht 20 bis 30 Jahre und erfüllten ihren Zweck: Schutz vor Wind und Wetter für eine größere Sippe, vielleicht auch die gesamte Dorfgemeinschaft. Sie dienten aber auch als Lagermöglichkeit. Denn das Spannende an der Zeit der Bandkeramik ist, dass in dieser Zeit Menschen erstmals sesshaft geworden sind und Ackerbau und Viehhaltung betrieben – als erste in Mitteleuropa. „Deshalb zeigen wir im hinteren Bereich des Hexenturmgartens, welche Nahrungsmittel angebaut worden sind und wie das Leben im und um das Bandkeramische Haus ausgesehen haben könnte“, erklärte Dr. Heike Lasch dem Landrat.

Der neolithische Garten soll die Vorstellungskraft der heutigen Besucherinnen und Besucher wecken und alle Sinne ansprechen. Typisches Getreide aus der Jungsteinzeit sind zum Beispiel Emmer und Einkorn, die Vorformen des Weizens. Auch Dinkel, Gerste und Rispenhirse waren für die Menschen der Jungsteinzeit und die Entwicklung einer Agrargesellschaft von großer Bedeutung. Bei Ausgrabungen wurden Samen und Pflanzenreste in Gruben und Feuerstellen, aber auch als Speisereste in Tontöpfen gefunden. Sie konnten archäobotanisch als Erbse, Linse, Einkorn, Emmer, Flachs und Haselnuss bestimmt werden. Wegen der Bauweise der Häuser aus Holz sind die Rückschlüsse auf die damalige Zeit sehr begrenzt. „Möglich ist auch, dass ehemalige Siedlungen über die Jahre einfach überbaut wurden und wir deshalb nicht noch mehr Überreste finden können“, so die Archäologin. Zur Förderung der biologischen Vielfalt bietet der Garten neben dem Pflanzenanbau auch Blühflächen, eine Reptilienburg und eine Totholzinsel.

Aktuell laufen die Arbeiten, um das Dach einzudecken. Dafür wird eine große Menge an Material benötigt, Schilf, Binsen, Rinde, Stroh und Bretter, die vermutlich auch vor Tausenden von Jahren verwendet wurden. Hier ist der Verein dankbar für jede Materialspende, vor allem Schilf. „Ich wünsche dem Projekt weiterhin gutes Gelingen. Ich bin sicher, dass das Bandkeramische Haus bei jüngeren und älteren Besucherinnen und Besuchern großen Anklang finden wird, weit über die Region hinaus“, stellte der Landrat fest. Auch Bürgermeister Andreas Bär lobte die Anstrengungen und das große Engagement des Vereins, der bereits zahlreiche Vorträge zum Thema organisiert hat. Das Langhaus und der Garten bilden gemeinsam ein auf unbestimmte Zeit laufendes Projekt, das ständig weiterentwickelt wird. Dabei werden neue Erkenntnisse gewonnen, die in die Gestaltung einfließen. So bleibt das Projekt lebendig und interessant.